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Quantitative Chemical Imaging: Übertragung der laborgestützten Qualitätskontrolle auf die Produktionslinie

Attribute wie Sicherheit, Qualität und Geschwindigkeit sind starke Differenzierungsmerkmale für einheimische Unternehmen in einem globalisierten Wettbewerb. Digitalisierung, Industrie 4.0, Umweltschutz und 5G sind dabei in aller Munde. Moderne Produktionsstätten auf der ganzen Welt bemühen sich um eine zuverlässige Qualitätskontrolle ihrer eingehenden und ausgehenden Produkte. Die Optimierung der Produktion wird daher für verschiedene Branchen wie die Nahrungsmittelindustrie, die Recyclingindustrie, die Holzindustrie sowie andere Zweige in der Produktion von Verbrauchs- sowie Investitionsgütern immer wichtiger, um mit ihren Waren am Markt international konkurrenzfähig bleiben zu können.

Italien liegt mit einer Exportquote von Waren und Dienstleistungen mit insgesamt 31,8%¹ des BIP unter den Top 5 Exportländern² in und außerhalb der EU. Italien exportiert gemessen am Gesamtexportvolumen nach Deutschland 12,6%¹, Frankreich 10,5%¹ und in die USA 9,2%¹ und hat gleichzeitig eine Importquote von 29,3%¹ gemessen am BIP. Das bedeutet, dass die italienische Wirtschaft in Zukunft noch stärker auf die Qualität ihrer Waren beim Import, damit die Sicherheit der italienischen VerbraucherInnen gewährleistet, und beim Export, damit weiterhin beste italienische Qualität in das Ausland geliefert werden kann, achten muss.

Moderne Methoden zur Qualitätssicherung oft unzureichend

Viele Methoden zur Qualitätskontrolle in der Lebensmittel-, Chemie- und Pharmaindustrie aber auch im Rahmen der Verwertung von Ersatzbrennstoffen (EBS) und Sekundärrohstoffen in der Recyclingindustrie basieren auf den Ergebnissen von Laboratorien, welche über hochpräzise Messgeräte und Methoden verfügen. Mit diesen Methoden kann jedoch oft aufgrund zu weniger Stichproben keine qualifizierende Aussage über den gesamten Produktstrom getroffen werden. Diese Vorgehensweise entspricht daher in keinster Weise den Qualitäts- und Sicherheitsstandards der heutigen Zeit.

 

Nehmen wir ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie. In der Geflügelverarbeitung tritt der sogenannte Wooden-Breast-Defect auf. Heutzutage müssen MitarbeiterInnen in der Qualitätskontrolle bei hühnerfleischverarbeitenden Betrieben durch händisches Ertasten des Fleisches erkennen, ob dieser Defekt vorliegt. Neue, mit dem Steuerungssystem der Anlage, verbundene Sensortechnologien – wie beispielsweise Hyperspectral Imaging – erkennen in Sekundenbruchteilen noch auf dem Förderband, ob das Hühnerfleisch für den Verzehr geeignet ist und entscheiden damit über die Weiterverarbeitung des Produkts. Im Gegensatz zur händischen Kontrolle können hier weit höhere Qualitäts- und Sicherheitsstandards für VerbraucherInnen garantiert werden. Zusätzlich bietet sich dem Unternehmen durch eine gewinnbringende Weiterverwendung des Produkts die Möglichkeit, Zeit und Geld zu sparen.

Was ist Hyperspectral Imaging?

Die Hyperspectral-Imaging-Technologie, die im Fokus dieser neuartigen Qualitätskontrolle steht, kommt aus der Raumfahrt und wird auch zur Erforschung ferner Galaxien eingesetzt. Dabei wird nicht die eigentliche Farbe erkannt, sondern die chemische Struktur des Materials, indem das reflektierte Licht und seine Wellenlänge beobachtet werden. Es ist daher möglich, die chemische Zusammensetzung eines bestimmten Materials zu messen, wie dies die zwei Bilder unten anschaulich zeigen:

Links sehen Sie ein Originalfoto verschiedener sogenannter Kunststoffflakes wie sie zur Energieerzeugung in unterschiedlichen Verbrennungsanlagen im Rahmen der thermischen Verwertung eingesetzt werden. Auf der rechten Seite sehen Sie die selben Kunststoffflakes, welche mit Hyperspectral Imaging beobachtet und anschließend in unterschiedliche Kategorien und Klassen eingeteilt wurden. Danach werden sie in ein für das menschliche Auge sichtbares 24-Bit-RGB-Falschfarbenbild umgewandelt. Bei diesem Vorgang geben wir den unterschiedlichen Plastikarten unabhängig von ihrer wirklichen Farbe zur klaren Unterscheidung eine von uns definierte Farbe. Dabei bestimmen wir Art und Qualität des Materials. Im oberen Bild sind die unterschiedlichen Plastikarten in verschiedenen Farben zu sehen: ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) in Rot, POM (Polyoxymethylen) in Blau, PC (Polycarbonat) in Grün, PE (Polyethylen) in Gelb und PS (Polystyrol) in Purpur.

 

„So sehen wir bei EVK die Welt“, erklärt Dr. Matthias Kerschhaggl, einer der Pioniere in der Forschung und Entwicklung dieser Technologie, mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „In diesem Fall haben wir die unsichtbare Chemie des betrachteten Materials sichtbar gemacht. Durch den optimierten Einsatz von Algorithmen und dem damit verbundenen „Machine- Learning“ werden Entscheidungen für die Weiterverarbeitung unterschiedlichster Materialien in Echtzeit getroffen. Auf diese Weise kann der Produktstrom in einer Anlage mit der nötigen Präzision kontinuierlich überwacht und selbst kleine Abweichungen erfasst werden. Wir sind sehr stolz darauf, was wir in den letzten 10 Jahren in Bezug auf Lebensmittelsicherheit und nachhaltige Systeme für einen schonenderen Umgang mit unserer Umwelt im Sinne unserer Kinder geschafft haben“, erklärt der zweifache Vater.

Fotos wurden am 03.07.2019 in einem Labor der Firma EVK DI Kerschhaggl GmbH in Graz, Österreich aufgenommen

Auch die Natur profitiert vom Recycling

Ein Beispiel aus der Recyclingindustrie zeigt, dass auch die Umwelt von dieser neuen, vernetzten Sensortechnologien profitiert. Die gut geplante und gesteuerte Abfallverarbeitung in Verbrennungsanlagen bietet einerseits die Möglichkeit aus bereits bestehenden, sogenannten Sekundärrohstoffen effizient Energie zu gewinnen und andererseits die Chance, die Umwelt zu schützen und den Ausstoß von CO2 durch das übermäßige Verbrennen von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.

Die italienische Recyclingindustrie arbeitet hart an einer Lösung für die regionale Abfallwirtschaft in Städten wie Rom und Neapel. Verbrennungsanlagen im Norden Italiens, die den EU-Richtlinien entsprechen, wurden verpflichtet ihre Kapazitäten mit dem im restlichen Italien anfallenden Müll auszulasten. Fakt ist, Kunststoff und daraus gefertigte Waren als eines der Exportgüter Italiens machten im Jahr 2018 2,1%¹ gemessen am italienischen BIP¹ aus. Das Abfallproblem birgt neben den nationalen Herausforderungen damit auch internationale Hürden, die es zu meistern gilt. Seit China mit seiner „National Sword Policy“ gravierend in die Recyclingstrukturen europäischer Länder eingreift, und nur mehr die Einfuhr von sortenreinem Plastik zulässt, wird auch die Sortierung von Plastik in Italien zu einem relevanten Faktor. Das gilt beispielsweise für den Export von Material aus unterschiedlichen Polymeren. Zusätzlich schreibt das Kreislaufwirtschaftspaket den EU-Mitgliedsstaaten künftig verbindliche Quoten für die stoffliche Verwertung, also die Wiederverwendung von Abfällen als beispielsweise Sekundärrohstoffe vor.

Die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen soll bis zum Jahr 2025 auf 55 % ansteigen. Das bedeutet somit auch von Seiten der Politik, dass die verwerteten Stoffe wieder in den Umlauf gebracht werden müssen und sollen. „Dabei ist zu bedenken, dass das Recycling einer PET-Flasche relativ einfach funktioniert, eine Wurstverpackung aus dem Supermarkt mit ihren unterschiedlichen Plastikverbindungen jedoch schon wesentlich schwerer wiederzuverwerten und für herkömmliche Recyclingverfahren ungeeignet ist³“, so einer der renommiertesten Spezialisten in der Forschung der Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Roland Pomberger von der Montanuniversität in Leoben, Österreich. Hier können wiederum Technologien wie die moderne Bildverarbeitung und vor allem Hyperspectral Imaging mit der Möglichkeit Chemie für das menschliche Auge sichtbar zu machen, Abhilfe schaffen. Wenngleich auch Italien in vielen Bereichen die Recyclingziele für Verpackungen bereits erreicht hat, hinkt es beim Recycling von Plastik mit 41 % hinterher. Auch hier kann Hyperspectral Imaging und die Vernetzung moderner datengestützter Auswertesysteme, wie zum Beispiel mittels Hyperspectral Imaging einen wichtigen Beitrag dazu leisten, unsere Umwelt sauberer zu halten und die Verschmutzung der Meere mit nicht wieder verwendbarem Plastik einzudämmen.

 

Quellen:

¹ https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-italien.pdf, 20. August 2019

² http://www.worldstopexports.com/top-european-export-countries/, 28. August 2019

³ Interview mit Prof. Pomberger entnommen aus dem Wirtschaftsmagazin Spirit of Styria, Ausgabe Juli 2019

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